Das ist rund ein Drittel der Verkehrsemissionen. In Österreich ist der Straßengüterverkehr für rund 40 Prozent der Treibhausgas-Emissionen des Verkehrs verantwortlich. Der Transport von Gütern auf der Straße verursacht aber nicht nur Emissionen, sondern bringt weitere negative Auswirkungen wie Lärm, Luftschadstoffe und Verkehrsüberlastung mit sich. Im schlimmsten Fall wird die Verkehrs- und Versorgungssicherheit durch die hohe Zahl an durchreisenden LKW gefährdet. Eine reale Gefahr, wie die Vergangenheit auch in Tirol mehrmals zeigte. Denn Tirol ist im Herzen Europas im Vergleich zu anderen Alpenübergängen besonders belastet: Im Jahr 2023 fuhren täglich 6.900 bzw. in Summe knapp 2,5 Millionen Güterverkehrs-LKW über den Brenner. Für 33 Prozent davon hätte es eine um bis zu 60 Kilometer kürzere Alternativstrecke gegeben – das heißt: Diese LKW fahren durch Tirol und nehmen einen Umweg in Kauf, weil die Kosten trotz Umwegs geringer sind.
Der LKW-Verkehr weist im Hinblick auf die Luftqualität einen überproportionalen Anteil an Emissionen in Tirol auf. Dennoch sind zwei Punkte zu beachten: Erstens ist der Güterverkehr auf der Straße auch wichtig – beispielsweise die Transporte für frische Lebensmittel im Supermarkt. Zweitens gibt es einen gesetzlichen Rahmen, den die Europäische Union wie auch der Bund und das Land Tirol vorgeben. Die Maßnahmen Tirols haben zusammengefasst zwei wesentliche Ziele: Einhaltung der unionsrechtlich vorgegebenen Luftqualitätsziele (Luftqualitätsrichtlinie) einerseits und Wahrung der Verkehrs- und Versorgungssicherheit (auf Basis der Straßenverkehrsordnung) andererseits. Dazu gehört auch, dass der Güterverkehr verstärkt von der Straße auf die Schiene verlagert wird. Der Brenner Basistunnel ist eines der wichtigsten Projekte unserer Zeit. Tirol schreitet im Ausbau massiv voran.
Für die Tiroler Landesregierung ist jedenfalls klar: Gesundheit, Umwelt und Infrastruktur sind entlang des gesamten Brennerkorridors überstrapaziert.
„Ohne die gerechtfertigten Fahrverbote und Verkehrsbeschränkungen wäre ein Verkehrskollaps nicht mehr zu verhindern. Das würde weitreichende Folgen für die Tiroler Bevölkerung und die gesamte europäische Wirtschaft mit sich bringen“, ist LH Mattle überzeugt.
Innerhalb der Europäischen Union gibt es jedoch einen Mitgliedstaat, der sich von diesen Maßnahmen, die dem Schutz der Tiroler Bevölkerung gelten, benachteiligt sieht: Italien. Der südliche Nachbar ist der Ansicht, dass Tirol bzw. Österreich gegen geltendes EU-Recht verstößt. Dieses sichert den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten. Aus Sicht Italiens sei das dadurch beeinträchtigt.
Tirol und Österreich sehen das anders. Die Maßnahmen auf der Inntal- und Brennerautobahn sind für den Schutz der Gesundheit und der Umwelt, für die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit einer wichtigen europäischen Hauptverkehrsachse und für die Versorgungssicherheit im gesamten Land unerlässlich.
„Dem Druck des italienischen Verkehrsministers Matteo Salvini und seiner Transit- Lobby werden wir nicht nachgeben“, betonen LH Mattle und LR Zumtobel. Auch vom Tiroler Landtag werden Tirols Maßnahmen parteiübergreifend unterstützt. Untermauert wird Tirols Ansicht übrigens auch vom EU-Rechtsexperten Walter Obwexer: „Grundsätzlich muss sich Tirol keine Sorgen machen, der freie Warenverkehr gilt nämlich nicht uneingeschränkt, sondern darf aus wichtigen Gründen eingeschränkt werden. Die Tiroler Maßnahmen sind alle EU-konform ausgestaltet.“
„Ein Vertragsverletzungsverfahren ist langwierig und bringt keine Lösungen für die Menschen entlang der Brennerstrecke. Hier braucht es neue intelligente Maßnahmen, an denen wir weiterhin arbeiten – auch mit Italien“, erklären LH Mattle und LR Zumtobel, die auch laufend Gespräche mit den Partnern in Wien, Rom und Brüssel führen.
Zu diesen neuen Maßnahmen zählt beispielsweise ein intelligentes Verkehrsmanagement – eine buchbare Autobahn für LKW, um den LKW-Verkehr zu entzerren. Tirol, Südtirol und Bayern bekannten sich im Vorjahr dazu und hielten das in der „Kufsteiner Erklärung“ fest. Nun braucht es die Nationalstaaten, um dieses intelligente Verkehrsmanagementsystem umzusetzen.
Unabhängig der Maßnahmen: Tirol war und ist stets gesprächsbereit. „Wir bleiben in der Transitfrage, gemeinsam mit Bayern und innerhalb der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino, konstruktiv und gesprächsbereit. Die Gesundheit geht vor, weshalb wir uns weiterhin für eine konstruktive und grenzüberschreitende Lösung für den gesamten Brennerkorridor einsetzen“, sind sich LH Mattle und Verkehrslandesrat Zumtobel einig.
Gut zu wissen: Vertragsverletzungsverfahren
Jeder EU-Mitgliedstaat hat laut EU-Recht die Möglichkeit, Vertragsverletzungen anderer Mitgliedstaaten zu rügen. Das passiert vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).Zuvor braucht es aber ein Vorverfahren seitens der Europäischen Kommission. Sie tritt dabei als Schiedsrichter auf: Denn das Vorverfahren hat unter anderem den Zweck, den Streit zu schlichten. Es ist verpflichtend durchzuführen.
Das heißt: Durch das Vorverfahren sollen ungerechtfertigte Vorwürfe beendet oder unnötige Auseinandersetzungen hintangehalten werden.
Die Europäische Kommission kann am Ende eine begründete Stellungnahme abgeben, muss es aber nicht und kann sich auch ganz verschweigen.
Italien kann aber jedenfalls nach Abschluss des Vorverfahrens eine Klage beim EuGH einbringen – unabhängig von der Stellungnahme der Kommission. Diese müsste dann ihrerseits ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnen, wenn sie das als erforderlich ansieht (Art. 258 AEUV).
Fahrverbote und Maßnahmen
Nachtfahrverbot
■ Gilt auf der A 12 von Zirl bis Langkampfen.■ Von 1. Mai bis 31. Oktober‚ täglich zwischen 22 und 5 Uhr, von 1. November bis 30. April, täglich von 20 bis 5 Uhr bzw. von 23 bis 5 Uhr an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen, ist es verboten, mit Schwerfahrzeugen über 7,5 Tonnen höchstzulässigem Gesamtgewicht zu fahren.
■ Es gibt auch Ausnahmen wie für den Transport leicht verderblicher Lebensmittel, Transporte zur Aufrechterhaltung dringender medizinischer Versorgung, Zielund/ oder Quellverkehr innerhalb definierter Zonen.
■ Das Nachtfahrverbot ist wesentlich, weil sich Schadstoffemissionen nachts wegen der schlechteren Ausbreitungsbedingungen viel stärker auswirken. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Nachtfahrverbot bereits als zielführende Maßnahme für den Umweltschutz bestätigt.
Sektorales Fahrverbot
■ Gilt auf der A 12 von Innsbruck/Ampass bis Langkampfen.■ Es verbietet den Straßentransport bestimmter Güter wie Stahl, Papier, Zement oder Getreide mit Lastkraftfahrzeugen über 7,5 Tonnen höchstzulässigem Gesamtgewicht. Es gibt Ausnahmen, etwa für Transporte mit Fahrzeugen fortschrittlicher Abgastechnologie (Euro VI und Erstzulassung nach dem 31. August 2018), Ziel- und/oder Quellverkehr innerhalb definierter Zonen.
■ Das Sektorale Fahrverbot dient der Verbesserung der Luftqualität und schützt die Gesundheit der Bevölkerung. Durch die Möglichkeit des Schienentransportes wird die Warenverkehrsfreiheit nicht eingeschränkt. Welche Güter nicht mehr auf der Straße transportiert werden dürfen, wird nach objektiven Kriterien, besonders nach der Eignung für den Bahntransport, entschieden.
Weitere Fahrverbote
■ Außerdem gibt es weitere lokale LKW-Fahrverbote, Abfahrverbote bei bestimmten Tankstellen und ein Euroklassenfahrverbot für ältere LKW. Letzteres gilt auf der A 12 von Zirl bis Langkampfen.Dosiersystem
■ Checkpoint bei Kufstein Nord – Dosierung laut Dosierkalender.■ LKW-Dosierung vor allem in den Morgenstunden – maximal 300 LKW dürfen pro Stunde den Checkpoint passieren. 2023 wurde an 44 Tagen dosiert.
■ Wegen der Überlagerung des PendlerInnen- und Urlaubsverkehrs mit Spitzen im Schwerverkehr wurde die Dosierung 2017 eingeführt. Die Straßenverkehrsordnung verpflichtet dazu, die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zu gewährleisten.
Winterfahrverbotskalender
■ Gilt auf der A 12 Inntalautobahn und der A 13 Brennerautobahn.■ Betroffen davon waren bestimmte LKW an Samstagen vom 13. Jänner bis einschließlich 9. März 2024 von 7 bis 15 Uhr, wenn das Fahrtziel in Italien bzw. Deutschland oder einem Land liegt, das über Italien bzw. Deutschland erreicht werden soll.
■ Diese Verordnung des Bundesministerium für Klimaschutz soll den Verkehrsfluss steigern, Stau vermeiden und insbesondere touristschen Verkehr und Gütertransport entflechten. Der Winterfahrverbotskalender wurde 2019 das erste Mal eingeführt.