05. August 2020

Tirol schaut auf seine Flüsse und Bäche

von Christa Entstrasser-Müller
Flussufer
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Rechnet man die Streckenverläufe von Tirols größeren und mittleren Flüssen und Bächen zusammen, so umfasst das Gewässernetz fast 4.000 Kilometer.

Unsere Fließgewässer sind Lebensadern und Bedrohung gleichermaßen, sie sind ein Wirtschaftsfaktor und bieten Raum für Erholung. Und sie sind außerordentlich sauber und in einem hohen Ausmaß auch ökologisch intakt.
„Wir achten in Tirol ganz genau auf unseren Wasserschatz. Das zeigt sich auch im österreichweiten Vergleich. Rund 57 Prozent der Tiroler Bäche und Flüsse sind in einem sehr guten oder guten ökologischen Zustand. Im Österreichdurchschnitt erreichen nicht einmal 40 Prozent der Gewässer einen sehr guten oder guten Zustand“, attestiert LHStv Josef Geisler Tirol einen besonders verantwortungsvollen Umgang mit seinen Fließgewässern. Tirol führt seine Gewässer aber auch einer Nutzung zu: zur Energiegewinnung, zur Entsorgung von Klär- und Niederschlagswässern, zur Bewässerung und Beschneiung oder auch für Fischteiche. Eingriffe in die Gewässer sind auch zum Schutz der Bevölkerung vor Hochwasser notwendig.
Doch was macht ein intaktes Gewässer überhaupt aus? Zur Bewertung des ökologischen Zustands fließen drei biologische Elemente ein, nämlich die Algen, die wirbellosen Tiere am Gewässergrund und die Fische. Aber auch die Hydromorphologie spielt eine wesentliche Rolle. „Darunter versteht man vor allem die Abfluss- und Strömungsverhältnisse und die Struktur des Bachbetts und der Uferzonen. Aber auch die Durchgängigkeit und Durchwanderbarkeit eines Gewässers etwa für Fische ist ein wichtiger Beurteilungsfaktor“, erklärt Andreas Murrer, Gewässerökologe in der Abteilung Wasserwirtschaft. Ein weiterer Indikator für den Zustand eines Gewässers ist die physikalisch-chemische Komponente. Vor allem die flächendeckende Reinigung der Tiroler Abwässer trägt dazu bei, dass Tirols Flüsse und Bäche hier bestens abschneiden. Aus der Gesamtbewertung der Komponenten Biologie, Hydromorphologie und Chemie ergibt sich der ökologische Zustand eines Gewässers.

Tirol setzt Maßstäbe

Aktuell weisen in Tirol mehr als 2.300 Flusskilometer (57 Prozent) einen sehr guten oder guten ökologischen Zustand auf. 2009 waren es noch 45 Prozent. Tirol schneidet damit im österreichweiten Vergleich sehr gut ab und hat auch große Fortschritte gemacht. Zahlreiche Maßnahmen wurden gesetzt, um den heimischen Flüssen wieder mehr Raum zu geben oder Kraftwerksanlagen durch Aufstiegshilfen für Fische passierbar zu machen. Bei sehr vielen Kraftwerken wurden die Abgabe von Restwasser bereits neu geregelt und Fischwanderhilfen wie zum Beispiel Fischtreppen oder sogar Fischlifte gebaut, damit Kraftwerke und Wehranlagen kein Hindernis mehr für die Fische darstellen.
„All diese Bemühungen werden wir in den kommenden Jahren konsequent weiterführen“, kündigt LHStv Josef Geisler an. Bei energiewirtschaftlichen Revitalisierungen oder neuen Wasserkraftanlagen spielt die Gewässerökologie eine gewichtige Rolle. Bei der Umsetzung von Hochwasserschutzprojekten und Renaturierungen wird zudem ein starkes Augenmerk darauf gelegt, Naherholungsräume für die Bevölkerung zu schaffen. „Unsere Flüsse und Bäche haben vielfältige Funktionen. Sie müssen unterschiedliche Nutzungsansprüche der Menschen erfüllen und sollen gleichzeitig funktionsfähige Lebensräume für Tiere und Pflanzen sein. Immer öfter gelingt es uns, diese Ansprüche unter einen Hut zu bringen.“

der.inn – neues Leben für Tirols längsten Fluss

Das Projekt „der.inn“ hat das Ziel, dem Tiroler Hauptfluss Inn wieder mehr Raum zu geben, die Mündungsbereiche der Zubringerflüsse zu revitalisieren und dadurch den ökologischen Zustand im Einklang mit der Hochwasserprävention zu verbessern. Dieses Kooperationsprojekt von Land Tirol, Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus sowie dem WWF besteht seit 2008. 17 verschiedene Maßnahmen zwischen Serfaus im Oberlauf bis zur Einmündung der Weißache in den Inn an der Grenze zu Bayern wurden bisher umgesetzt. Bei zahlreichen Projekten wurden Naherholungsgebiete geschaffen. Als Leitbild für die Renaturierungsmaßnahmen werden alte Karten, die den Flusslauf und die Strukturen des Inn vor den großen Flussverbauungen zeigen, herangezogen.

Life Lech – noch mehr Platz für den Wildfluss  

Riesige Schotterbänke, breite Auwaldbereiche und eine beeindruckende Artenvielfalt – das zeichnet den Lech aus. Zum zweiten Mal hat das Lechtal 2016 den Zuschlag der Europäischen Union für ein LIFE-Projekt zur Erhaltung und Wiederherstellung natürlicher Lebensräume bekommen. Bis 2021 stehen damit mehr als sechs Millionen Euro von EU, dem Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, Land und Gemeinden für die Flussrevitalisierung im Oberlauf des Lech zur Verfügung. Zehn der zwölf flussbaulichen Maßnahmen wurden bereits umgesetzt. In Summe werden auf einer Länge von über elf Kilometern bestehende Uferverbauungen rückgebaut, aber auch der Hochwasserschutz für drei Gemeinden gewährleistet. Durch die Maßnahmen entstehen Lebensräume für seltene Tier- und Pflanzenarten. Gleichzeitig werden Eintiefungen der Flusssohle gestoppt und der Grundwasserspiegel stabilisiert. 32 Hektar Fläche stehen dem Lech durch diese Maßnahmen zusätzlich zur weiteren Entwicklung zur Verfügung.

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