Die drei Länder Tirol, Südtirol und Trentino arbeiten in der Euregio zusammen.
Eines der drei Länder hat für jeweils zwei Jahre die Präsidentschaft inne. Das Vorsitzland setzt inhaltliche Schwerpunkte, organisiert Sitzungen, vertritt die Euregio nach außen und sorgt dafür, dass Projekte umgesetzt werden. Im Herbst übernimmt Tirol den Vorsitz von Südtirol, damit wird Tirols LH Anton Mattle Euregio-Präsident. Die Tiroler Landeszeitung hat bei den Landeshauptleuten LH Mattle und LH Arno Kompatscher (Südtirol) nachgefragt: Was hat sich in den vergangenen zwei Jahren getan? Wohin geht die Reise bis 2027 und darüber hinaus?
Tiroler Landeszeitung: Tirol übernimmt heuer den Vorsitz in der Euregio Tirol-Südtirol-Trentino, damit sind Sie Präsident der Europaregion. Was ist die Euregio überhaupt?
LH Anton Mattle: Einfach gesagt: eine schriftlich festgehaltene Freundschaft zwischen Tirol, Südtirol und dem Trentino. Gemeinsam haben wir mehr Schlagkraft, denn in der Euregio leben 1,9 Millionen Menschen – vom Außerfern bis an den Gardasee. Für uns zählen nicht Nationalitäten, sondern die Bürgerinnen und Bürger in unseren Regionen. Wir arbeiten als Team über Landesgrenzen hinweg an konkreten Projekten und guten Lösungen.
Herr Landeshauptmann Kompatscher, wie würden Sie diese Freundschaft bzw. Partnerschaft beschreiben?
LH Arno Kompatscher: Die Verbundenheit zwischen den drei Ländern fußt auf der gemeinsamen Geschichte und dem Identitätsbewusstsein als Tiroler und Europäer. Längst haben wir auch erkannt, dass gemeinsame Probleme gemeinsam besser gelöst werden. Die Bereitschaft zur grenzübergreifenden Zusammenarbeit und zur Lösung zukünftiger Herausforderungen – denken wir nur an den Verkehr – ist ein Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunftspolitik in allen drei Ländern.
Südtirol übergibt den Vorsitz nun an Tirol. Worauf legte Südtirol in den vergangenen zwei Jahren den Fokus?
LH Kompatscher: Die Südtiroler Präsidentschaft in der Euregio hatte mehrere Schwerpunkte: eine Überarbeitung und Straffung des Arbeitsprogramms, den Abschluss der internen Organisationsreform, vor allem aber die zentralen Präsidentschaftsprojekte. Dazu zählen der Euregio-Wetterbericht, das Euregio-Ticket als einheitliches Abonnement für den öffentlichen Personennahverkehr, die Euregio-Jobbörse, das Euregio-Museumsjahr unter dem Motto „weiter sehen“ und „So isst Euregio“, bei dem kulinarische Traditionen aller drei Länder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken.
Manche fragen sich: „Für was braucht es eine Euregio?“ Was antworten Sie darauf?
LH Mattle: Brauchen wir unsere Nachbarn? Ich sage ja. Tirol, Südtirol und Trentino verbindet eine gemeinsame Geschichte. Herausforderungen machen an der Staatsgrenze nicht Halt: Verkehr, Naturkatastrophen, Klimaschutz, Wirtschaft, Kultur, Forschung – gemeinsam können wir einfach mehr erreichen. Wir wollen unseren Wohlstand nachhaltig absichern, uns unabhängiger von globalen Entwicklungen machen und Krisen besser bewältigen. Die Euregio muss aber auch Lösungen und Vorteile im Alltag der Bevölkerung bieten – wie der länderübergreifende Lawinenreport oder das Euregio-Öffi-Ticket.
Heuer feiert auch die gemeinsame Vertretung der Euregio in Brüssel ihr 30-jähriges Bestehen. Welche Rolle hat die Euregio in Brüssel?
LH Kompatscher: Die gemeinsame Vertretung Tirols, Südtirols und des Trentino in Brüssel war bei ihrer Gründung 1995 ein absolutes Novum und ein Exzellenzbeispiel für die Zusammenarbeit unserer Länder über die Grenzen hinweg. Dies ist nicht nur ein wichtiges Zeichen der Zusammengehörigkeit der Euregio nach außen. Das gemeinsame Auftreten in Brüssel erhöht unsere Schlagkraft und das Gewicht unserer Stimme. Die wichtige Abstimmungsarbeit mit den europäischen Institutionen, die in Brüssel geleistet wird, kommt uns allen zugute.
Der Euregio-Vorsitz dauert zwei Jahre. Tirol hat ihn bis 2027 inne. Was wird man davon mitbekommen?
LH Mattle: Wir haben ein aussagekräftiges Motto gewählt: „grenzenlose Kraft – gemeinsam!“. Die Euregio hat es geschafft, die Grenze zwischen Tirol, Südtirol und dem Trentino im Alltag, aber auch in den Köpfen, abzubauen. Wir sind die aktivste Euregio in der EU. Das ist auch in Brüssel positiv aufgefallen. Jetzt müssen wir aber auch der Bevölkerung die Vorteile stärker aufzeigen. Ein Beispiel: Ab Dezember 2026 geht’s im Stundentakt umstiegsfrei über den Brenner. Man wird die Vorteile der Euregio in den kommenden zwei Jahren und darüber hinaus in Tirol stärker wahrnehmen. Wir werden aber auch kritisch über politische Positionen diskutieren, bei denen wir unterschiedliche Ansichten vertreten. Das macht die Zusammenarbeit aus.
Braucht es für mehr Bewusstsein auch Zuspitzung? Auf den Plakaten wird zu lesen sein „Tirol hat drei Hauptstädte: Innsbruck, Bozen und Trient“ oder „Tirol reicht bis an den Gardasee“.
LH Mattle: Wir wollen die Euregio zum Gesprächsthema machen, da muss man Aufmerksamkeit erregen. Wir haben uns bewusst dazu entschieden, zuzuspitzen und unsere gemeinsamen Stärken hervorzuheben. In der Euregio leben 1,9 Millionen Menschen in 559 Gemeinden, die Deutsch, Italienisch und Ladinisch sprechen. Wir sind ein enorm starker Wirtschaftsraum, haben eine niedrige Arbeitslosenquote, es entstehen bei uns viele Innovationen und wir haben erfolgreiche Bildungseinrichtungen. Damit sind wir eine ernstzunehmende Größe in Europa.
Sie haben von „Lösungen für die Bevölkerung“ gesprochen. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
LH Mattle: Beim Transit zeigt sich, wie unterschiedlich Sichtweisen, Voraussetzungen und Interessen der Länder sind – eine gemeinsame Linie ist beim Verkehr schwerer zu erreichen als bei anderen Themen. Und dennoch bemühen wir uns gemeinsam um Lösungen. Südtirol nimmt eine wichtige Vermittlerrolle in Rom ein und gemeinsam machen wir uns für das Slot-System, also buchbare Zeitfenster für LKW, stark. Und auch die nachhaltige und langfristige Lösung ist eine europäische Initiative: Der Brenner Basistunnel kann über eine Million LKW pro Jahr auf die Schiene verlagern und wird die Zugfahrt von Innsbruck nach Bozen von zwei Stunden auf 45 Minuten reduzieren. Tirol bleibt beim Verkehr jedenfalls gesprächsbereit, für uns steht der Schutz der heimischen Bevölkerung aber an oberster Stelle.
Der Vorsitz in der Euregio rotiert alle zwei Jahre. Was wünschen Sie sich für die Weiterentwicklung der Euregio?
LH Kompatscher: Eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit in vielen Bereichen, die in den vergangenen Jahren bereits angestoßen wurde. Ich bin überzeugt, dass Anton Mattle als Euregio-Präsident diesen Weg mit großem Schwung und voller Energie weitergehen wird. Wir freuen uns auf die Euregio-Präsidentschaft des Bundeslandes Tirol!