13. September 2021

Impfschutz für Kinder und Jugendliche

Kind nach der Impfung
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Interview mit Dr.in Claudia Mark und Dr.in Daniela Karall.

Wie sicher ist die Impfung für Kinder? Welche Nebenwirkungen gibt es? Wer impft meine Kinder? Diese und weitere Fragen von Eltern und Erziehungsberechtigten werden von Dr.in Claudia Mark, Landesschulärztin, sowie von Dr.in Daniela Karall, stellvertretende Direktorin der Innsbrucker Klinik für Pädiatrie I und Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ), beantwortet.

Frau Dr.in Mark, wie ist die Impfung an Schulen organisiert?

Claudia Mark: Die Impfaktion an den Schulen ist so geplant, dass die Kinder – ähnlich wie bei einer Schulveranstaltung – von der Schule in das nächstgelegene Impfzentrum begleitet oder mit Bussen gefahren werden. Kinder unter 14 Jahren benötigen das schriftliche Einverständnis der Eltern und Erziehungsberechtigten. Jugendliche ab 14 Jahren können selbstständig medizinischen Behandlungen – wie Impfungen – zustimmen und müssen dafür ihr schriftliches Einverständnis geben.

Wie läuft die Impfung vor Ort ab?

Claudia Mark: Die Impfärztinnen und -ärzte klären in den Impfzentren über die Impfung auf, bevor sie die Kinder und Jugendlichen impfen. Nach der Impfung werden die Ruhezeiten in den Zentren eingehalten und somit kann eine Vielzahl von Kindern und Jugendlichen rasch und sicher geimpft werden. Die Schülerinnen und Schüler sind niemals unbeaufsichtigt, sie werden immer von den Lehrpersonen begleitet und in den Impfzentren ist auch das medizinische Personal vor Ort.

Welcher Impfstoff wird geimpft?

Claudia Mark: Derzeit kommt der Impfstoff von BioNTech/Pfizer für Kinder und Jugendliche zum Einsatz, da dieser für die Zielgruppe ab zwölf Jahren zugelassen ist. Worauf muss man nach der Impfung achten? Claudia Mark: Wie bei jeder Impfung muss man bei der Corona-Impfung etwa 20 bis 25 Minuten warten, um gegebenenfalls allergische Reaktionen abfangen zu können. Zudem sollten sich die Kinder und Jugendlichen ein bis drei Tage schonen, keinen Leistungssport treiben und beim Ausgehen nicht über die Stränge schlagen.

Muss man mit einer Impfreaktion rechnen?

Claudia Mark: Überwiegend werden auch bei Kindern und Jugendlichen wie bei Erwachsenen dieselben Impfreaktionen beobachtet. Diese sind Schmerzen an der Einstichstelle, Kopf- und Gelenks- schmerzen, Fieber und Schüttelfrost, welche ein bis drei Tage andauern können. Die Nebenwirkungen sind sehr gut mit Paracetamol behandelbar.

Warum sollen sich auch Kinder und Jugendliche ab zwölf impfen lassen?

Claudia Mark: Es geht immer um eine sinnvolle Risiko-Nutzen-Abwägung, aber es ist aus mehreren Gründen wichtig, dass sich die Kinder und Jugendlichen ab zwölf Jahren impfen lassen. Kinder und Jugendliche können ebenfalls an Corona schwer erkranken. Sie können auch zwei bis sechs Wochen nach der eigentlichen Covid-Erkrankung an einem sogenannten Multisystemischen Inflammatorischen Syndrom erkranken (Ausführungen dazu auch im Interview mit Dr.in Karall). Ein weiterer Grund ist der, dass Kinder und Jugendliche die Erkrankung nach Hause tragen können und schwächere Personen wie die Großeltern anstecken können. Schließlich ist es auch im Sinne der Schule, dass es nicht wieder zu Clusterbildungen kommt, sodass der Schulbetrieb aufrechterhalten bleiben kann.

Was ist die Herdenimmunität?

Claudia Mark: Kinder und Jugendliche sind Teil der Herdenimmunität. Das bedeutet, dass ein Großteil der Menschen – unabhängig vom Alter – geimpft oder genesen sein muss, um dem Virus keinen Wirt zu bieten und die Pandemie somit einzudämmen. Beim Beispiel Masern müssen über 90 Prozent der Menschen geimpft sein, damit man von der notwendigen Herdenimmunität ausgehen kann. Bei Corona müssen aufgrund der Mutationen rund 80 Prozent der Menschen geimpft oder genesen sein, damit eine ausreichende Herdenimmunität gegeben ist.

Können Kinder und Jugendliche am Long-Covid-Syndrom erkranken?

Claudia Mark: Kinder und Jugendliche können gleich wie Erwachsene auch ein Long-Covid-Syndrom entwickeln. Beim Long-Covid-Syndrom halten die Symptome länger als drei Monate an. Diese sind vor allem Husten, Atemlosigkeit, große Müdigkeit, deutlicher Leistungsabfall, Kopf- bzw. auch andere Schmerzen.

Dr.in Daniela Karall, was spricht aus kindermedizinischer Sicht für eine Impfung von Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren?

Daniela Karall: Es gibt drei Gründe für die Befürwortung der Impfung für Kinder ab zwölf Jahren. Der eine ist der Eigenschutz, da wir gesehen haben, dass auch Kinder – wenn auch nicht so häufig wie Erwachsene – schwer erkranken können. Im vergangenen Jahr hatten wir in Österreich etwa 700 Kinder, die mit Corona im Krankenhaus waren, und eines von 1.000 hatte einen schwerwiegenden Verlauf. Der zweite Grund ist, dass man für eine Herdenimmunität, jetzt eher als „Gemeinschaftsschutz“ bezeichnet, 80 bis 90 Prozent der Menschen impfen muss. Wenn man hier die Kinder und Jugendlichen rausnimmt, wird man diese Anzahl kaum erreichen. Drittens will man die Infektion als Ganzes bekämpfen. Dies erreicht man nur, indem die Ansteckung so weit wie möglich verhindert wird – da gehört die Impfung als Maßnahme dazu.

Ist Corona gefährlich für Kinder und Jugendliche?

Daniela Karall: Eines von 1.000 Kindern kann nach der Corona-Erkrankung ein sogenanntes Multisystemisches Inflammatorisches Syndrom bekommen. Das ist eine Erkrankung, die sich nach einer Corona-Infektion entwickelt, wodurch der Herzmuskel, die Nieren oder das zentrale Nervensystem angegriffen werden können und die auch noch schwere Spätfolgen haben kann.

Muss man mit Nebenwirkungen rechnen?

Daniela Karall: Man unterscheidet bei allen Impfungen zwischen einer Impfreaktion und Nebenwirkungen. Die Impfreaktion kennen wir alle: Man kann am Tag der Impfung sowie ein bis zwei Tage später müde werden sowie Temperatur, Kopf- und Gliederschmerzen haben. Das ist ein Zeichen dafür, dass das Immunsystem auf den Impfstoff reagiert, was gut ist. Die Impfreaktion kann man mit Paracetamol und Ibuprofen abfedern. Nebenwirkungen hingegen sind schwerwiegender. Es wird von Herzmuskelentzündungen berichtet, die man auch von der Infektion selber bekommen kann. Wichtig ist jedoch, dass diese Entzündungen bei den Impflingen glimpflich ausgegangen sind – ganz im Gegensatz zur Entzündung, welche aufgrund von Corona entstehen kann. Der Schweregrad ist bei einer durchgemachten Infektion deutlich höher.

Sie befürworten also die Impfung?

Daniela Karall: Aus allen Daten, die uns vorliegen, befürworten wir die Impfung für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren. Betonen möchte ich jedoch, dass es sich um eine freiwillige Entscheidung handelt, weil es in Österreich keine Impfpflicht gibt. Die Sorgen und Ängste, dass die Impfung unfruchtbar macht oder sogar tödlich ist, sind hingegen nicht haltbar.
 

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