18. Oktober 2021

Impfen und Verfassung

Rotes Buch: Bundes-Verfassungsrecht.
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Ein Kommentar von Peter Bußjäger

Seit Beginn der Corona-Pandemie steht immer wieder in Diskus­sion, ob die von Bund und Land ergriffenen Maßnahmen mit der Verfassung in Einklang stehen. In manchen Fällen hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Verordnungen des Gesundheitsministers oder der Landeshauptleute aufgehoben, in anderen Fällen hat er sie bestätigt. Zuletzt wurde beispielsweise die Ausreisetestpflicht beim Verlassen Tirols vom VfGH als rechtskonform erkannt. Was also ist die Richtschnur?
Die Grundrechte der Verfassung, wie beispielsweise der Schutz des Privat- und Familienlebens, der Datenschutz, die persönliche Freiheit oder die Mei­nungsäußerungsfreiheit, schützen uns vor Eingriffen des Staates. Das bedeutet aber keineswegs, dass die Grundrechte unantastbar sind. Wenn entsprechend gewichtige öffentliche Interessen vorliegen, dürfen auch sie beschränkt werden. Entscheidend ist, ob die Gründe, die etwa für Restriktionen in der Bewegungsfreiheit der Menschen ins Treffen geführt werden, nachvollziehbar sind und die Maßnahmen nicht unverhältnismäßig sind. Insbesondere ist nachdem gelindesten zum Ziel führenden Mittel zu suchen.

Dieselben Erwägungen sind auch rund um das Thema Impfen maßgeblich. Die Einführung einer Impfpflicht erfordert eine entsprechende gesetzliche Grundlage, die derzeit nicht vorhanden ist. Zuständig wäre dafür der Bundesgesetzgeber, denn nur er darf nach der Bundesverfassung das „Gesundheitswesen“ regeln. Die Länder dürfen die Impfungen hingegen nur organisieren, nicht aber selbst zwangsweise ver­ordnen. Die Einführung einer solchen Impfpflicht durch den Bund wäre zwar ein Eingriff in die körperliche Integrität von Menschen, aber grundsätzlich zulässig, wenn die Impfung hinreichend sicher ist und ihre Wirksamkeit gewährleistet ist.
Auch ohne Impfpflicht ist es allerdings nicht nur zulässig, sondern auch notwendig, zwischen Geimpften und Nichtgeimpften zu unterscheiden, wenn die medizinische Expertise ergibt, dass Maßnahmen zur Einschränkung der Verbreitung des Virus weiterhin erforderlich sind. Nachdem alle Erkenntnisse darauf hinweisen, dass Nichtgeimpfte in aller Regel schwerer erkranken als Geimpfte, ist es zum einen notwendig, die Nichtgeimpften besser zu schützen und andererseits die Geimpften von Beschränkungen zu entlasten. Diese Differenzierung zwischen den beiden Gruppen bedeutet daher keine Diskriminierung, sondern sogar eine notwendige Ungleichbehandlung.

Wenn daher beispielsweise Nichtgeimpften im Wintertourismus Beschränkungen auferlegt werden, ist dies, medizinische Expertise vorausgesetzt, die die Erforderlichkeit der Maßnahme bestätigt, keine Verletzung der Verfassung, sondern im Gegenteil eine Notwendigkeit.


Institut für Föderalismus / Peter_0052_1 / Zum Vergrößern auf das Bild klicken Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger ist Professor am Institut für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungslehre der Universität Innsbruck sowie Leiter des Instituts für Föderalismus.















Ein Kommentar von Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann

Tiroler Landtag/Berger / LandtagsdirektionLedlRossmannGang_7_klein / Zum Vergrößern auf das Bild klicken „Fakten statt Emotionen: Die persönliche Entscheidung, ob man sich gegen Covid-19 impfen lassen möchte oder nicht, sollte primär auf gesicherten Informationen beruhen. Um Falschmeldungen als solche zu erkennen, überprüfen Sie Meldungen auf folgende Punkte: 1. Wer verbreitet die Meldung? 2. Manipuliert die Meldung? 3. Ist die Geschichte überprüfbar? Geben Sie Fake News keine Chance!“

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