30. August 2021

Das Neue Landhaus

LR Tratter und die Mitglieder der Kommission
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Vom einstigen „Gauhaus“ zum heutigen Sitz der Tiroler Landesregierung und des Tiroler Landtags – die Aufarbeitung der Planungs-, Bau- und Nutzungsgeschichte des „Neuen Landhauses“.

Das „Neue Landhaus“ in Innsbruck wurde in den Jahren 1938/39 als Repräsentationsbau der Nationalsozialisten und Verwaltungssitz des Reichsgaus Tirol- Vorarlberg errichtet. Im Bewusstsein um die Verantwortung für einen transparenten und offenen Umgang mit der Vergangenheit gab die Tiroler Landesregierung gemeinsam mit dem Tiroler Landtag den Auftrag zur wissenschaftlichen Erforschung und Aufarbeitung der Geschichte des heute als Landhaus 1 bezeichneten Gebäudes. In einem einjährigen Forschungsprozess haben der Zeithistoriker Christian Mathies und die Architekturexpertin Hilde Strobl unter wissenschaftlicher Begleitung einer ExpertInnenkommission einen umfangreichen Forschungsbericht verfasst sowie einen Maßnahmenkatalog zur Information und Erinnerung ausgearbeitet. „Die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit unseres Landes ist ein wesentlicher Teil der Erinnerungskultur“, betont der für die Liegenschaften des Landes zuständige Landesrat Johannes Tratter. „Das ‚Neue Landhaus‘ ist ein Bau der NS-Zeit und wird deshalb auch damit assoziiert. Diese Zeit ist Teil unserer Geschichte und muss objektiv und transparent aufgearbeitet werden. Der Forschungsbericht sowie der ausgearbeitete Maßnahmenkatalog zur Information und Erinnerung liefern uns die Grundlage für einen zeitgemäßen Diskurs.“

Zur Geschichte

Der heute als Landhaus 1 bekannte Erweiterungsbau wurde in den Jahren 1939/40 nach den Plänen der Architektenbrüder Walter und Ewald Guth errichtet. Einerseits ging es dabei um die Beseitigung der damals herrschenden Raumnot. Andererseits sollte der Neubau als ein sichtbarer Ausdruck des Aufbruchs in eine neue Zeit und als Symbol des Selbstbewusstseins der Tiroler NS-Führung unter Gauleiter Franz Hofer dienen. Der Bau sollte die damals bestehenden Baulichkeiten zu einem geschlossenen Macht- und Regierungszentrum zusammenfügen. Während die staatlichen Stellen im Alten Landhaus verblieben, residierte die Parteileitung unter Gauleiter Hofer im neu erbauten „Gauhaus“.
Nach dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft schlug die französische Besatzungsmacht im heutigen Landhaus 1 ihr Hauptquartier auf, ehe im Jahr 1955 die Dienststellen der Tiroler Landesverwaltung dort ihr Zuhause fanden.

Als Sitz des Landtages, der Landesregierung und der Landesverwaltung sind die Amtsgebäude am Eduard- Wallnöfer-Platz heute ein zentraler Anlaufpunkt in der Landeshauptstadt und ein Hort der Demokratie. „Das als ‚Gauhaus‘ errichtete ‚Neue Landhaus‘ ist Zeugnis eines dunklen Abschnitts der Tiroler Geschichte – schon alleine aus diesem Grund ist die in der Vergangenheit immer wieder erhobene Forderung nach Umgestaltung, ja sogar nach Abriss des Gebäudes, nicht angebracht. Man kann die eigene Geschichte nicht ungeschehen oder unsichtbar machen. Die unbequeme Vergangenheit muss vielmehr Auftrag für unsere demokratisch legitimierte Regierung und Verwaltung sein, in diesem Gebäude zum Wohle des Landes Tirol und seiner Menschen zu wirken“, stellt Landesarchivdirektor Christoph Haidacher, Mitglied der Kommission zur Aufarbeitung der Landhaus-Geschichte, klar.

Öffentlicher Dialog

Ein wesentlicher Punkt im Rahmen des von den ExpertInnen ausgearbeiteten Maßnahmenkataloges ist die Sensibilisierung der Bevölkerung für die Geschichte des Baus im Zuge eines öffentlichen Dialogs. Dahingehend wurden auf der Website des Landes Tirol – unter www.tirol.gv.at/landhausgeschichte – umfangreiche Informationen, der gesamte Forschungsbericht sowie ein Film veröffentlicht. An der Umsetzung weiterer Maßnahmen wird laufend gearbeitet. So wurde beispielsweise zahlreichen Bildungseinrichtungen in ganz Tirol Informationsmaterial in Form eines Folders inklusive QR-Code zum entsprechenden Filmbeitrag zur Verfügung gestellt, um für alle Interessierten einen möglichst einfachen Zugang zu diesem Thema sicherzustellen.

Die Kommission

Unter wissenschaftlicher Begleitung der renommierten ExpertInnenkommission haben der Zeithistoriker Christian Mathies und die Architekturexpertin Hilde Strobl nach Durchsicht zahlreicher regionaler, überregionaler und internationaler Archive sowie privater Sammlungen die Planungs-, Bau- und Nutzungsgeschichte des Landhauses genauestens aufgearbeitet. Die Ergebnisse, die bis dato als Forschungsbericht vorliegen, werden im Spätherbst in Buchform erscheinen. „Ich danke den Expertinnen und Experten für die mit großer Sorgfalt erstellte Publikation sowie für die Vorschläge im Maßnahmenkatalog“, betont LR Tratter abschließend.
 

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