09. Oktober 2019

Bewässerung: Saftige Wiesen statt dürrem Gras

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Die Beregnung als Investition in die Zukunft sehen: (v. li.) Andres Neuner (Kaunerberg), Bezirkskammerobmann Elmar Monz, LHStv Josef Geisler, Bgm Matthias Schranz und Martin Eiterer, Obmann der Wassergenossenschaft Kauns
Klimaveränderung und Dürreperioden stellen die Landwirtschaft in den inneralpinen Trockenlagen des Tiroler Oberlands vor immer größere Herausforderungen. Landwirtschaft und Kulturlandschaft können oftmals nur durch Bewässerung erhalten werden.

Mit durchschnittlich 650 bis 800 mm Niederschlag pro Jahr zählt Kauns jetzt schon zu den trockensten Regionen Österreichs. Zum Vergleich: In der Unterländer Gemeinde Kössen fällt mehr als doppelt so viel Niederschlag. Um die Bewirtschaftung und Lebensmittelproduktion aufrechtzuerhalten, setzen die BäuerInnen verstärkt auf Bewässerung. Basis für moderne Beregnungsanlagen sind vielfach Waale, jahrhundertealte Bewässerungssysteme.
Sechs Stunden dürfen die Mitglieder der Wassergenossenschaft Kauns ihre Wiesen pro Woche beregnen. Wer wann dran ist, ist genau geregelt und wechselt im Wochenrhythmus. 18 Kilometer Hauptleitungen, 60 Kilometer Verteilerleitung und über 1.600 Beregner sorgen ab April dafür, dass die Hänge in Kauns saftig grün statt trocken braun sind und das Vieh ausreichend nahrhaftes Futter hat. „Die Beregnung ist in vielen Gebieten des Tiroler Oberlands die Grundlage für eine funktionierende Landwirtschaft und die Erhaltung der Kulturlandschaft“, stellt LHStv Josef Geisler bei einem Besuch im Tiroler Oberland fest. Nur wenn die Bewirtschaftung im Tal funktioniere, sei auch die Bewirtschaftung der Almen mit dem notwendigen Weidevieh gesichert.

Waale als Lebensadern

Gespeist wird die 2008 in Betrieb genommene Bewässerungsanlage in Kauns mit dem Wasser aus einem 13 Kilometer langen Hangkanal, der dieses von rund 2.000 Metern Höhe zu den Trockenhängen in Kaunerberg, Kauns und Faggen bringt. „Der Hangkanal ist die Lebensader unseres Bewässerungssystems. Wir empfinden damit ein Niederschlagsereignis nach“, erklärt Martin Eiterer, Obmann der Wassergenossenschaft Kauns. Errichtet wurde der Hangkanal nach dem Zweiten Weltkrieg mit Mitteln aus dem „Marshallplan“, dem amerikanischen Wiederaufbauprogramm für Europa.

Alle profitieren

200 Hektar landwirtschaftliche Fläche, rund die Hälfte davon in der Gemeinde Kauns, werden mit Wasser aus dem Hangkanal wassersparend und effizient beregnet. Aber nicht nur die Landwirtschaft profitiert, auch Privathaushalte können ihr Brauchwasser kostengünstig beziehen. Außerdem sichert das System die Löschwasserversorgung und speist 15 Hydranten. Gekostet hat die Kauner Beregnungsanlage 1,2 Millionen Euro. 14.500 Stunden haben die Mitglieder der Genossenschaft selbst Hand angelegt, um das Bewässerungs-projekt realisieren zu können. „Ohne die für die Nebenerwerbsbauern mit vertretbarem Arbeitsaufwand zu bedienende Beregnungsanlage hätte Kauns deutlich weniger landwirtschaftliche Betriebe“, ist sich Bgm Matthias Schranz sicher.
Moderne Bewässerungssysteme
Eine lange Tradition hat die Bewässerung in der Gemeinde Stanz. Dort wurden Waalsysteme bereits vor 500 Jahren urkundlich erwähnt. Heute setzt man in Stanz auf ein zeitgemäßes System. Aber auch hier bilden traditionelle Waale das Rückgrat der modernen Bewässerungstechnik, teils wurden sogar neue Waale angelegt. Eine Besonderheit in Stanz sind Teiche für die Bewässerung, die sogenannten Piezen. 30 solcher Piezen gibt es in Stanz, acht davon haben eine rein ökologische Funktion. Jene Piezen, die heute noch der Bewässerung dienen, fassen eine Million Liter Wasser. „Durch die Speicher können wir auch größere Flächen gleichzeitig beregnen“, erläutert Stefan Nothdurfter von der Wassergenossenschaft Stanz-Platzmähder. 90 Hektar landwirtschaftliche Fläche, großteils Obstanlagen, werden so mit Wasser versorgt. Zudem beziehen 60 Privathaushalte ihr Brauchwasser aus dem System. Das Wasser im Waal kommt übrigens aus den Bergen oberhalb von Grins. Stanz hat auf eigenem Gemeindegebiet bereits alle Trinkwasserquellen erschlossen.

Vorsorgen für die Dürre

Die Klimaveränderung mit ihren anhaltenden Trockenperioden ist der Grund, warum sich immer mehr LandwirtInnen in den ohnehin trockenen Regionen des Tiroler Oberlandes für die Errichtung oder Reaktivierung und Modernisierung von Bewässerungsanlagen interessieren. Eine Erhebung des Baubezirksamts Imst hat ergeben, dass in den Bezirken Landeck und Imst über 60 Vorhaben für die Beregnung von 800 Hektar landwirtschaftlicher Fläche in Planung sind. „Der Klimawandel fordert uns alle, besonders die Landwirtschaft“, weiß LHStv Geisler und will auch seitens des Landes in den kommenden Jahren einen Schwerpunkt auf Klimawandelanpassung und Bewässerung legen.

Wissenswert

Waale in Tirol
Die Bewässerungstradition in Tirol reicht 800 Jahre zurück. Zahlreiche Waale, also Kanäle, die das Wasser von Bächen zum Zweck der Bewässerung zu kultivierten Flächen führen, von Kematen westwärts zeugen davon, dass Bewässerung in der Tiroler Landwirtschaft schon seit jeher ein Thema war.
Auf Initiative der Tiroler Waalgruppe wurde die Rieselbewässerung im Tiroler Oberland 2018 in die nationale Liste des immateriellen Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen. Rund 800 Waale in Tirol hat die Waalgruppe ausfindig gemacht, akribisch untersucht, kartiert und in einem Verzeichnis aufgelistet. Vielfach wurde die Rieselbewässerung aufgelassen, weil die Handhabung kompliziert und unwirtschaftlich war.
Nun erleben die Waale in vielen Gemeinden eine Renaissance als Rückgrat moderner Bewässerungssysteme sowie als touristische Attraktionen. 
 

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