30. August 2021

Über 4.000 Almen in der Euregio – Wolfsmanagement dringend notwendig

Schafe auf einer Alm
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Ob Tirol, Südtirol oder Trentino – in allen drei Ländern stellen Wölfe, aber auch Bären insbesondere die Almwirtschaft vor große Herausforderungen.

Mindestens 17 Wolfsrudel gibt es im Trentino, wo in den vergangenen fünf Jahren 84 verschiedene Wolfsindividuen nachgewiesen wurden. In Südtirol geht man von drei Rudeln aus. Dort wurden 2020 in Summe 17 verschiedene Wölfe – zehn weibliche und sieben männliche – genetisch nachgewiesen. In Tirol wurden 2020 zehn verschiedene Wölfe, davon zwei Weibchen genetisch bestätigt.

Allein diese Zahlen zeigen, dass es sich beim Wolf nicht mehr um eine vom Aussterben bedrohte Tierart handelt. Die europäische Population umfasst rund 17.000 Tiere. „Doch trotz zahlreicher Initiativen, die Population länderübergreifend zu betrachten, den Schutzstatus des Wolfes zu senken und so ein aktives Management dieser Raubtiere zu ermöglichen, ist die EU-Kommission bislang untätig geblieben. Brüssel verweist lediglich auf Herdenschutz und verschließt die Augen vor den Besonderheiten der Almwirtschaft“, kritisiert LHStv Josef Geisler.

Almwirtschaft in Gefahr

Mit 2.100 Almen hat die Almwirtschaft in Tirol die größte Bedeutung, aber auch Südtirol zählt über 1.500 Almen, das Trentino rund 600. Im vergangenen Jahr 2020 wurden in der Euregio nachweislich rund 550 Schafe, Ziegen Kälber und Esel von Wölfen getötet. Hunderte Tiere wurden nicht mehr gefunden. Tatsächlich gefressen werden die wenigsten. Im Bundesland Tirol sind im heurigen Jahr bereits mehr als 275 Schafsrisse gesichert Wölfen zuzuschreiben. Zahlreiche Schafe werden vermisst. Und auch in Südtirol wurde die Zahl der Risse von knapp 100 im Vorjahr heuer bereits überschritten. In allen drei Ländern werden die TierhalterInnen für getötete Tiere entschädigt. Tirol ersetzt zudem vermisste Tiere und die Futterkosten für vorzeitig von den Almen ins Tal gebrachtes Vieh.

„Der finanzielle Schaden ist das eine. Aber das Leid der Schafe und die Belastung der TierhalterInnen und deren Familien kann man nicht in Geld aufwiegen“, weiß LHStv Geisler. Weil Herdenschutzmaßnahmen entweder überhaupt nicht machbar oder in der Kürze der Zeit auch nicht umsetzbar sind, werden die Tiere vielfach vorzeitig von den Almen abgetrieben oder gar nicht mehr auf die Almen gebracht. Mehr als 2.500 Schafe wurden heuer in Tirol mitten in der Almsaison vorzeitig von den Almen geholt. „Das hat mittel- bis langfristig extrem negative Auswirkungen auf den Schutz vor Naturgefahren, auf die Artenvielfalt und auch auf den Tourismus und die Freizeitmöglichkeiten im Gebirge“, schildert LHStv Geisler die Konsequenzen.

Herdenschutz kein Allheilmittel

Die Entnahme von einzelnen Wölfen und Bären, die erhebliche Schäden anrichten, ist laut EU-Rechtsnormen möglich; aber nur dann, wenn Schutzmaßnahmen für die Nutztiere ausgereizt sind und der Bestand von Wolf und Bär nicht gefährdet ist. In allen drei Ländern der Euregio gibt es Projekte und Maßnahmen zum Schutz der Nutztiere vor Wölfen und auch Bären. „Uns allen ist klar, dass es den wolfsfreien Alpenraum nicht geben wird und wir dort, wo Herdenschutz machbar und vertretbar ist, auch Maßnahmen setzen müssen“, räumt LHStv Geisler ein. Die beträchtlichen Kosten dafür hat die Allgemeinheit zu tragen.

Schnelles Handeln in Weideschutzgebieten

Auf den Hochalmen in der Euregio ist Herdenschutz aber oft unmöglich. Ein wesentliches Instrument, um zum Schutz der Weidetiere möglichst rasch zur EU-konformen Entnahme eines Problemwolfs zu kommen, ist die Ausweisung von Weideschutzgebieten. Das sind Gebiete, in denen Herdenschutz in der Realität nicht umsetzbar und zumutbar ist. „Unter der Federführung von Tirol sind wir in Österreich dabei, die entsprechenden Kriterien zu erarbeiten. Damit wir gegenüber Brüssel mit einer Stimme sprechen, werden wir uns auch in der Euregio und mit Bayern abstimmen“, erklärt LHStv Geisler.

Gemeinsame Initiativen

Der Wolf und die Angriffe auf Nutztiere sind mittlerweile in ganz Europa ein Problem. „Bislang hat niemand ein Patentrezept gefunden, allen Regionen sind die Hände gebunden. Aber wir reizen alle Spielräume im Wolfsmanagement aus“, versichert Tirols LHStv Geisler. Abseits der Bemühungen in den einzelnen Ländern stimmt man sich länderübergreifend ab und auch die Europaabgeordneten setzen Initiativen. Die Arbeitsgemeinschaft der Alpenländer (ARGE ALP) hat letztes Jahr eine Resolution verabschiedet und gefordert, regionale Besonderheiten wie die traditionelle Almwirtschaft zu berücksichtigen, den Schutzstatus von Wolf und Bär zu senken und den Erhaltungszustand gesamteuropäisch zu betrachten. Auch der Europäische Ausschuss der Regionen hat bereits 2019 eine Stellungnahme abgegeben und die Kommission zur Überarbeitung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie aufgerufen und eine Anpassung der europäischen Rechtsvorschriften an besondere Gegebenheiten gefordert.  

Daten & Fakten 2020 

TIROL
• 2.100 Almen
• 49 Wolfsnachweise
• derzeit keine Rudel- oder Paarbildung bekannt
• 162 Schafe und Ziegen gerissen, weitere 119 Schafe abgestürzt oder nicht mehr gefunden

SÜDTIROL
• 1.500 Almen
• 140 Wolfsnachweise
• 3 Rudel
• 99 Schafe, Ziegen und Kälber gerissen

TRENTINO
• 600 Almen
• 612 Wolfsnachweise
• Mindestens 17 Rudel
• 276 Schafe, Ziegen, Kälber und Esel gerissen; weitere 104 Tiere nicht mehr gefunden

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