22. April 2024

Gesetze – Made in EU

Der Plenarsaal in Straßburg – ein zentraler Ort der EU-Gesetzgebung.
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Der Plenarsaal in Straßburg – ein zentraler Ort der EU-Gesetzgebung.
„Gesetze werden vom Parlament beschlossen“ – in der EU ist der Prozess ein bisschen komplexer. Warum ist das so?

Die Mitgliedstaaten haben Aufgaben und damit auch Entscheidungsmacht an die Europäische Union abgegeben und somit auch auf Teile ihrer Souveränität verzichtet. Im Gegenzug sicherten sie sich im Entscheidungsverfahren eine starke Position.
Im Gesetzgebungsprozess auf EU-Ebene sind deshalb drei Akteure involviert:

  • Das direkt von den EU-BürgerInnen gewählte Europäische Parlament (EP).
  • Der Rat der Europäischen Union (Rat der EU), in dem alle Mitgliedstaaten durch ihre jeweiligen FachministerInnen vertreten sind. Er prüft gemeinsam mit dem EP die Gesetzesinitiativen, ändert sie ab und/oder entscheidet darüber.
  • Die Europäische Kommission (EU-Kommission). Sie alleine hat das Recht, eine Gesetzesinitiative einzubringen – anders als etwa im Landtag, wo das auch durch Abgeordnete und Landtagsklubs geschehen kann. Das EP und der Rat der EU können die Kommission jedoch auffordern, einen bestimmten Gesetzesvorschlag zu unterbreiten.
Bei den angenommenen Gesetzen handelt es sich meist entweder um Verordnungen, die in der gesamten EU unmittelbar gültig werden, oder um Richtlinien, die zu erreichende Endergebnisse festlegen. Den Mitgliedstaaten bleibt dabei überlassen, wie sie ihre nationalen Gesetze anpassen wollen, um diese Ziele zu erreichen.
Wer genau wissen möchte, wie das Gesetzgebungsverfahren abläuft: www.tirol.gv.at/europa-legislative

Der Landtag und die EU

Wussten Sie, dass der Tiroler Landtag nicht nur die Arbeit der Landesregierung, sondern auch bestimmte Bereiche der EU-Gesetzgebung kontrolliert? Wir haben uns das angesehen:
Relevante Hintergrundinfos: Die Mitgliedstaaten haben bei ihrem EU-Beitritt Kompetenzen, also Zuständigkeiten, an die Europäische Union abgegeben. Das ist in ihren Grundsatzverträgen genau geregelt – und auch, in welchen Themenbereichen die Union über alleinige Zuständigkeiten verfügt und in welchen sie diese mit den Mitgliedstaaten teilt. Bei Letzteren muss sie nach den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit vorgehen.

Subsidiaritätsprinzip

Das Wort ist ein Zungenbrecher. Aber zugleich ist es ziemlich zentral für die Arbeitsweise der Europäischen Union. Es besagt auf europäischer Ebene nämlich, dass die EU in vielen Bereichen nur dann Aufgaben an sich ziehen darf, wenn sie auf Unionsebene besser bzw. auf Ebene der Nationalstaaten nicht ausreichend erfüllt werden können. Heruntergebrochen: Soll die EU im Hinblick auf ihre Kompetenzen hier überhaupt handeln?

Verhältnismäßigkeitsprinzip

Das „Verhältnismäßigkeitsprinzip“ beschäftigt sich mit der Beurteilung, ob die Art, der Umfang und die Intensität der geplanten rechtlichen Maßnahme angemessen ist – also, ob eine Maßnahme in Form einer Verordnung erfolgen soll oder ob auch eine Richtlinie ausreichend wäre. Die zentrale Frage ist hier also: Wie soll die EU handeln, ohne über das Ziel hinauszuschießen?

Und jetzt kommt der Tiroler Landtag ins Spiel – im Rahmen der „Subsidiaritätskontrolle“

Sollten die Abgeordneten Bedenken haben, dass die Europäische Union eine Zuständigkeit aufgreift, die ihr nach dem Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht zusteht, dann können sie eine Stellungnahme an den österreichischen Bundesrat richten, der die Rückmeldung dann direkt an die EU-Kommission übermittelt. Sollten mindestens ein Drittel aller nationalen Parlamente die Gesetzesinitiative kritisieren, muss die Kommission eine Prüfung einleiten. Außerdem ist es möglich, die Union zu klagen. Sollte der Europäische Gerichtshof dann feststellen, dass EU-Institutionen rechtswidrig gehandelt haben – etwa, weil sie ihre Zuständigkeiten überschritten haben – wird das Gesetz aufgehoben. Das Ziel dieser Kontrollmechanismen ist also, unzulässige Kompetenzausübungen durch die EU zu verhindern. 

Kommentar

„Was tut die EU für mich?“ – eine Frage, über die man sich vermutlich nicht gerade jeden Tag Gedanken macht. Die anstehende Europawahl wäre aber ein guter Anlass, sich damit auseinanderzusetzen. Keine Passkontrollen, Abschaffung der Handy- Roaming-Gebühren, einheitliche Verbraucherschutzregelungen, Studium im Ausland, kein Geldwechseln dank Euro… Für jede und jeden wird die Liste an wichtigen Errungenschaften vermutlich etwas anders aussehen. Wer Inspiration braucht: Auf what-europe-does-for-me.eu kann man nachsehen, was die EU in meiner Region oder für meinen Alltag so alles umgesetzt hat. Vielleicht fallen einem beim Nachdenken auch EU-Maßnahmen ein, die man kritisch sieht oder gar ablehnt. Hier kommt wieder die Europawahl ins Spiel: Mit seiner Stimme hat man die Möglichkeit, die EU-Politik für die kommenden fünf Jahre mitzugestalten, Einfluss darauf zu nehmen, wie die Antworten auf anstehende Herausforderungen aussehen sollen. Und um den europäischen Staatenbund zu stärken, der nach wie vor der beste Garant ist für Frieden.

Sonja Ledl-Rossmann Landtagspräsidentin

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